Gaslieferungen aus Russland

Irreführend wurde behauptet, dass Russland kein Gas an Deutschland liefern konnte, weil eine Turbine von Nord Stream 1 nicht aus Kanada habe geliefert werden können. Der angebliche Grund dafür: die Sanktionen gegen Russland. Außerdem habe Deutschland das Angebot des Kreml ausgeschlagen, das Gas über Nord Stream 2 zu liefern. Ein Faktencheck.

Behauptung-1

Nord Stream 1 werde jeden Sommer zur gleichen Zeit gewartet. Eine für den Betrieb notwendige Turbine hänge wegen der Sanktionen gegen Russland in Kanada fest. Russland habe angeboten, die Gaslieferungen an Deutschland über Nord Stream 2 abzuwickeln, was Deutschland aber abgelehnt habe.

Bewertung

Fehlender Kontext. Es ist richtig, dass die Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 jedes Jahr stattfinden und eine Turbine aufgrund der Sanktionen in Kanada festhing. Die Turbine ist jedoch für den Betrieb nicht essenziell und werde laut Bundesregierung als Vorwand verwendet, weniger Gas zu liefern. Putin sagte, er habe eine Lieferung über Nord Stream 2 angeboten. Allerdings ist das aktuell nicht möglich, da die Pipeline bislang nicht einsatzbereit ist. Bereits vor den Wartungsarbeiten und der vorübergehenden Komplett-Abschaltung von Nord Stream 1 waren die Gaslieferungen nach Deutschland Mitte Juni auf 40 Prozent gedrosselt worden. Bei der Turbine handelt es sich ausschließlich um eine Ersatzturbine, so eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.

Behauptung-2

Russland habe angeboten, die ausbleibenden Gaslieferung wegen der nicht gelieferten Turbine über Nord Stream 2 abzuwickeln – Deutschland habe das abgelehnt

Bewertung

Dieser Behauptung fehlt Kontext. Putin hat bei einer Pressekonferenz am 19. Juli der russischen Presse erzählt, dass das Gas auch via Nord Stream 2 geliefert werden könne und die Pipeline einsatzbereit sei. Er habe darüber auch mit dem Bundeskanzler gesprochen. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums teilte uns mit, Nord Stream 2 sei bisher noch nicht durch die Bundesnetzagentur zertifiziert, also nicht einsatzbereit. Eine Regierungssprecherin erklärte Correctiv dazu per E-Mail: „Die Bundesregierung hat als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg die Zertifizierung von Nord Stream 2 ausgesetzt.“ 

Zu dem angeblichen Angebot, das wegen der nicht gelieferten Turbine zu wenig gelieferte Gas über Nord Stream 2 zu liefern, habe das Wirtschaftsministerium keine Informationen. Das Presseamt der Bundesregierung lehnt einen Kommentar des angeblichen Angebots unter Verweis auf die Vertraulichkeit der Gespräche zwischen Scholz und Putin ab.

Nord Stream 2 ist jedoch nicht die einzige Pipeline, die für einen Ersatzbetrieb infrage käme. Die Jamal-Pipeline, die von Russland aus durch Belarus und Polen nach Deutschland verläuft, wäre eine Option, ebenso wie eine weitere Pipeline durch die Ukraine. Beide Optionen werden jedoch nicht genutzt, so die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums: „Die Jamal-Pipeline oder die Ukraine-Transit-Pipeline stehen für den Transport zur Verfügung. Die Jamal-Pipeline wurde von Russland sanktioniert, so dass deswegen hier kein Gas durchfließt. Daneben stünde auch die Ukraine-Transit-Pipeline zur Verfügung um weitere Mengen auszunehmen.“ Diese Optionen würden von Russland jedoch nicht genutzt.

Quelle: https://correctiv.org/faktencheck/2022/08/04/irrefuehrende-behauptungen-zu-nord-stream-1-und-russland-in-umlauf/

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